Skepsis aus dem Nähkästchen

Verwaltungsreform und Politik – ein Streiflicht aus

Osnabrück

Von Heiko Schulze, Fraktionsgeschäftsführer der Osnabrücker SPD

Vorbemerkungen

Die Reform der deutschen Kommunalverwaltungen füllt mittlerweile dicke Ordner und ganze Bücherregale. Zahllose Kongresse und Schulungen widmen sich dem Thema mit großer Vorliebe, insbesondere den Leitzielen „Effizienz“ und „Demokratie“.

Bei beiden Leitzielen entwickelt sich jedoch zusehends ein klassisches Ungleichverhältnis:

·      „Effizienz“ kann sich recht schnell und nachvollziebar darstellen: Kostenreduzierungen, schnellere Verfahrensabläufe oder dezentralere Entscheidungsstrukturen lassen sich zumindest am Beispiel dafür ausgewählter Kommunen glaubhaft „rüberbringen“.

·      Anders verhält es sich allzuoft mit dem Leitziel „Demokratie“: Ob es tatsächlich ein Mehr an Entscheidungskompetenzen für gewählte Mandatsträger oder für die Bevölkerung gibt, bleibt recht häufig in nebulösen Andeutungen hängen.

Insbesondere die letzte Frage ist von ungemein wichtiger Bedeutung für die generelle Zukunft des demokratischen Gemeinwesens: Gelingt es nämlich nicht, den hübschen Satz „Die Komunalpolitik hat sich zukünftig auf wesentliche Ziele zu konkretisieren“ im kommunalen Alltag praktikabel zu machen, dürfte das Gesamtprojekt der „neuen Steuerungsmodelle“ gefährdet sein. Auch die gut klingende Feststellung aus einem difu-Bericht vom Frühjahr 1994, daß „das Repräsentationsorgan wieder zur ‘legislatorischen Steuerung’ befähigt wird, statt nur Verwaltungsaufgaben zu ratifizieren“ geriete zur Phrase. Dabei erscheint es fast unbedeutend, daß sich deutsche Verwaltungsspitzen bisher fast flächendeckend der Behördenreform verschrieben haben.

Doch auch umgekehrt scheint der Erfolg einer umfassenden Verwaltungsreform mit der Zukunft der Demokratie auf allen Handlungsebenen eng verknüpft zu sein: Gelingt es nämlich andererseits nicht, noch so effizient erscheinende Verwaltungsstrukturen mit grundlegend reformierten parlamentarischen Entscheidungsebenen zu verbinden, dann wäre zumindest die Zukunftsfähigkeit der gemeindlichen Demokratie hochgradig gefährdet. Jüngste Umfragen in Niedersachsen, nach denen das kommunalpolitische Geschehen nur noch von weniger als 10% junger Wählerinnen und Wähler verfolgt wird, müssen für Verwaltung wie Politik wie Alarmsirenen klingen.

Beide Seiten sitzen somit gemeinsam im berühmten Boot, zumal der Antriebsmotor dieses Bootes aus Antworten gespeist wird, die auf nahezu zeitsynchron gestellte Fragen gegeben werden müssen:

·      Wie können wir Verwaltungs- wie Parlaments- und Parteistrukturen, die gleichermaßen verkrustet erscheinen, zeitgemäßer modernisieren?

·      Wie können wir – parlamentarisch wie per beruflichen Aufstieg legitimierte – Hierarchien zugunsten von mehr Bürgerbeteiligung – Stichworte Planungsbeteiligung, runde Tische, Bürgeranträge, -befragungen, -begehren oder -entscheide – abbauen?

·      Welche Methoden haben wir zu entwickeln, um reale Bürgerinteressen zu erkennen, damit sie den Bürger – um mit Gerhard Banner (vgl. Frankfurter Rundschau vom 29.03.94) zu sprechen – „als Kunden und aktiven Teilhaber zugleich“ betrachten?

·      Welche Argumente setzen wir all jenen Mängelanalysen entgegen, die von so unterschiedlichen Akteuren wie Mc Kinsay, von Arnim, Scheuch oder Rossa vorgebracht werden?

·      Wie gehen wir mit der neuen medialen Wirklichkeit der wachsenden Informationsgesellschaft um?

All diese Fragen verlangen nach recht umfangreichen Antworten, die nicht in diesem Aufsatz und erst recht nicht in Form eines kommunalen Erfahrungsberichts gegeben werden können.

Andererseits kann man sich jenen – händeringend gewünschten – Antworten in Gestalt einer kommunalen Bestandsaufnahme nähern und daraus eine Art „Checkliste“ zur weiteren Diskussion entwickeln.

Verwaltungsumbau am Beispiel Osnabrücks

Die Stadt Osnabrück gehört zwar nicht – wie Offenbach, Duisburg oder Herten – zu den spektakulär auftretenden, zumindest aber zu den recht beharrlichen Verfechtern der „Neuen Steuerungsmodelle“ (NSM).

Der Versuch, diese Stadt einmal streiflichtartig bei der Umsetzung ihrer Hausaufgaben zu beobachten, lohnt sich deshalb, weil in dieser niedersächsischen Kommune gleich mehrere Anlässe zusammenkommen, die Osnabrück zu einem betrachtenswerten Lernbeispiel über das Verhältnis der NSM zur Politik machen:

·      Die Stadt zwischen Wiehengebirge und Teutoburger Wald gilt in nicht wenigen Erhebungen als eine Art „Durchschnittsstadt“: rund 160.000 Einwohner, sinkender Produktions-, wachsender Dienstleistungsbereich, Universität und Fachhochschule.

·      Das Organigramm der Stadtverwaltung ist mit seiner Ämter- und Dezernatsstruktur vergleichbaren Städten angepaßt.

·      Im Rat „regiert“ eine zwar knappe, aber relativ stabile rot-grüne Mehrheit, die Verwaltungsreformen – wie im übrigen auch die Ratsopposition – grundsätzlich positiv gegenübersteht.

·      Sorgen bereitet die allseits bekannte Haushaltskrise, die sich seit kurzem – wie in zahllosen Städten – im „Schockerlebnis“ eines unausgeglichenen Verwaltungshaushalts (voraussichtlich bis zu 50 Mio DM in 1996) präsentiert. Dies wiederum provoziert bereits allein für sich genommen die Diskussion über verwaltungsinterne Umstrukturierungen.

·      Als niedersächsische Stadt ist Osnabrück einbezogen in die aktuell beratene neue Gemeindeordnung, welche – analog der bereits in NRW beschlossenen GO – erwartungsgemäß ein Ende des (nur noch in Niedersachsen bestehenden) „Dualen Systems“ aus Verwaltungschef und Ratsvorsitzendem hervorbringen dürfte.

·      Die nationalen wie supranationalen Erfahrungen mit einer grundlegenden Verwaltungsreform (Tilburg, Phoenix, Christchurch etc.) werden – auch in Kooperation mit der Bertelsmann-Stiftung, mit dem difu und der KGSt – jenseits des Kirchtumhorizonts wahrgenommen und verarbeitet.

Heere Absichten – zur Umsetzung neuer
Steuerungsmodelle

Bei der Umsetzung des Umstrukturierungsprozesses der Osnabrücker Stadtverwaltung wurden – analog der den Lesern dieser Zeitschrift bereits variantenreich vorgestellten Konzeptionen der KGSt – zunächst Mängel diagnostiziert, die auch im politischen Raum weitgehend unstrittig waren und sind: fehlende Kunden- bzw. Produktorientierung, wenig ausgeprägtes Kostendenken, bürokratische Arbeitsabläufe und starre Arbeitsorganisation

Aus dieser Kritik heraus wurde – wie vielerorts – damit begonnen, das Konzept des „Neuen Steuerungsmodells“ zugunsten einer Dienstleistungsorientierung mit unternehmensähnlichen Leistungs- und Verantwortungsstrukturen zu entwickeln.

Die Ziele dieser Neuorientierung drücken sich aus in den allseits bekannten Kernelementen

·      vermehrte Bürgerorientierung,

·      erhöhtes Kostendenken,

·      verstärkte Einbeziehung von Mitarbeitern sowie

·      eine Ergebnis- bzw. Produktorientierung.

Diese Vorsätze wurden und werden auf vielen und recht unterschiedlichen Ebenen konkret umgesetzt:

·      Beim Sportamt (seit Januar 1993), dem ein eigenes Budget, eine eigene Personalverwaltung sowie ein erheblicher Freiraum an Entscheidungsbefugnissen zugestanden wurde. Ende dieses Jahres soll die Erprobungsphase des Pilotprojekts beendet und das Amt in seine endgültige Organisationsform überführt werden.

·      Beim Schulverwaltungsamt (seit Januar 1995), das ebenfalls als Pilotprojekt fungiert, für seine Personal- Finanz- sowie Gebäudeunterhaltung allerdings – entgoltene – Leistungen anderer Ämter in Anspruch nimmt. Zugleich wurde – ähnlich wie auch beim Sportausschuß – die Kompetenz des Fachausschusses in der Weise gestärkt, daß dieser auch Themen bisheriger Querschnittsausschüsse – Personal-, Bau- oder Finanzfragen – diskutieren und entscheiden soll.

·      Beim Kultur-und Museumsamt (seit April 1995), das neue – bisher eigenständige – Einheiten zusammenfaßt und ein eigenes Budget verwaltet. 1996 sollen die Haushaltsmitel budgetiert werden, danach dürften bisherige Querschnittsaufgaben wie Personal, Organisation, Finanzen, Bau und Liegenschaften auf das neue Amt verlagert werden.

·      Beim Hochbauamt, das (seit April 1995) als eine Art „Architekturbüro“ bzw. „Handwerksbetrieb“ agiert und seine Leistungen verstärkt anderen Einheiten in Rechnung stellen soll. Bauherreneigenschaft bzw. Mittelbewirtschaftung werden gleichzeitig auf andere Fachämter verlagert. Nach einer Übergangszeit soll das Hochbauamt seine Serviceaufgaben konkurrierend zur Privatwirtschaft ausüben. Modellhaft wie spezifisch soll bei alledem eine kollegiale Betriebsleitung als eine Art Unternehmensvorstand, in den Mitarbeitervertreter einbezogen sind, sein.

·      Beim Grünflächenamt, das seine Dienstleistungen – ähnlich dem Hochbauamt – in grundsätzlicher Konkurrenz zu privaten Unternehmen anbieten soll.

·      Bei weiteren Pilotprojekten aus dem Ordnungs- und Sozialbereich (1996), die allesamt sogenannte Pflichtaufgaben aus dem übertragenen Wirkungskreis erfüllen.

Parallel zu den Umstrukturierungen in den Fachämtern werden natürlich auch die Querschnittsämter von erheblichen Änderungen betroffen sein. Im Zuge des Reformprozesses soll das bisherige Hauptamt Aufgaben der Steuerungsunterstützung wahrnehmen, während sich das bisherige Personalamt auf Service-Aufgaben beschränken soll.

Eine der Konsequenzen dieser neuen Schwerpunktsetzungen ist die Einsparung bzw. die Umsetzung bisheriger Querschnittsamts-Planstellen, da es ein Hauptziel des neuen Steuerungsmodells ist, bisherige Querschnittsaufgaben wie Personal- oder Finanzverwaltung auf die – eigenständiger agierenden – Fachämter zu delegieren.

Beibehalten bzw. sogar gestärkt werden dagegen zentrale Aufgaben wie Controlling und neu aufgebaute „Stabstellen“ wie Frauenbeauftragte, strategische Stadtentwicklung oder kommunale Arbeitsmarktpolitik.

Hinsichtlich der Bildung von Fachbereichen wurde allerdings – zumindest für einen überschaubaren Zeitraum – darauf verzichtet, diese – analog der Erfahrungen in Offenbach, Herten oder Detmold – alternativ zur bisherigen Ämterstruktur aufzubauen. Eine additive und an qualitativen Maßstäben gemessene Fachbereichsstruktur befindet sich allerdings im vorgesehenen Zeitrahmen und soll ab 1997 verwirklicht sein.

Einher ging bzw. geht der Umstrukturierungsprozeß mit der Herauslösung bisheriger Verwaltungseinheiten aus ihrem ursprünglichen Bereich, was natürlich kein originärer Bestandteil neuer Steuerungsmodelle ist, sich aber dennoch in die Reformbemühungen einfügt. So etwa

·      das vormalige Amt für Wirtschaftsförderung, das Teilbereich einer neuen – zu 50% von der Wirtschaft mitgetragenen – Wirtschaftsförderungsgesellschaft wurde und auch Kompetenzen der bisherigen Liegenschaftsverwaltung übernommen hat,

·      die Städtischen Kliniken, die seit 1992 als Eigenbetrieb strukturiert sind und bereits nennenswerte Querschnittsaufgaben aus den Fachämtern abgezogen haben,

·      die neue Grundstücks- und Erschließungsgesellschaft, die kostengünstiger arbeiten und eigenständiger agieren kann,

·      die Städtischen Bühnen GmbH, die – auf ähnliche Weise kostengünstiger und flexibler als eine originäre Verwaltungseinheit arbeitend – eine beträchtliche Ausbaumaßnahme erfahren.

Eine wachsende regionale Kooperation (Gründung einer neuen Region -“OBE“ für Osnabrück -Stadt, -Landkreis, Bentheim und Emsland, eine deutsch-niederländische „EUREGIO“ sowie – insbesondere – intensivere Kontakte zum Landkreis Osnabrück) korrespondiert zwar nicht direkt mit den vorgenommenen Umstrukturierungen, sollte jedoch hinsichtlich daraus erwachsender fachbezogener Kooperationsformen (Frage einer gemeinsamen Feuerwehrleitstelle, ÖPNV- und SPNV-Kooperation, abgestimmte Wirtschaftsförderung, gemeinsame Schulenwicklungsplanung etc.) nicht unterschätzt werden.

Bewußt verzichtet wurde andererseits auch auf Privatisierungen von städtischen Gesellschaften wie den Stadtwerken oder der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft, denen – so sieht es zumindest die Ratsmehrheit – eine wichtige Steuerungsfunktion für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung zukommen soll.

Ein Ausdruck verstärkter Bürgerorientierung ist nicht nur der Bezug eines zentral gelegenen Verwaltungshauses (ehemaliges Stadtkrankenhaus), das die besonders bürgernahen Dienstleistungen beherbergt – inclusive eines neu eingerichteten Bürgeramts.

Gläserne Strukturen sollen auch das Innenverhältnis bestimmen. Neue Formen von höherer Eigenverantwortung, Beteiligung, Befragungen, Fortbildungsmaßnahmen, Mitarbeitergespräche und ein Mehr an Information sollen in absehbarer Zeit den Alltag bestimmen.

 

Nagelprobe Haushalt …

Obschon Haushaltsdiskussionen selbst manchem altgedienten Kommunalpolitiker immer ein Buch mit sieben Siegeln blieben, besaßen sie zumindest nach altem Schema eine Struktur, an die sich zumindest die Hauptakteure gewöhnt hatten: eine Gliederung nach den bekannten Einzelplänen sowie Unterabschnitte mit – mehr oder weniger – darin enthaltenem Wiedererkennungswert.

Einen – nun auch die Politik intensiver berührenden – Methodenwechsel verzeichnete seit der Haushaltsberatung zum Entwurf 1994 der Finanzbereich. Bestandteile der Neuerungen waren unter anderem die Stichworte

·      Festsetzung von Eckwerten: Monate vor Einbringung des Haushalts wurde dem Rat ein sogenannter Eckwertebeschluß abverlangt, der konkrete Summen auf die einzelnen Ämter verteilte und darüber hinaus generelle Ziele beinhaltete (angepeilte Nettoneuverschuldung, Einfrieren bestimmter freiwilliger Zuschüsse etc).

·      Kompetenzverlagerung auf Fachausschüsse: Zeitlich nicht so synchron wie gewohnt starten Ausschußberatungen, wobei diesen bestimmte Ämter mitsamt der im Rahmen der Eckwertfestsetzungen vorgeschlagenen Summen zugeordnet werden.

·      Fachbereichsbezogener Haushaltsplan: Der neue Haushaltsentwurf ist analog zu den Organisationszahlen der Ämter aufgegliedert, die klassischen Unterteilungen in Verwaltungs- und Vermögenshaushalt ist optisch weniger kenntlich gemacht.

·      Produktinformationen: Vorgelegt wird seit neuestem ein Leistungshaushalt, der die städtischen Dienstleistungen als Produkte mit Leistungsbeschreibungen wie Kosten wiedergibt.

·      Budgetierung: Die den Verwaltungseinheiten zugeteilten Budgets sollen nicht als „Deckelung“ aufgefaßt werden, sondern – gefördert durch mehr Eigenverantwortlichkeit und einfachere Verfahrensabläufe – zu mehr Mitarbeitermotivation und Gestaltungskompetenz führen.

 
… und die Reaktionen der Politik

Vorbemerkung: Allen Neuerungsbestrebungen ist zugute zu halten, daß sieKinderkrankheiten in sich bergen.

Es geht hier also nicht um die Wiedereinführung des Kommunalpolitikers, der sich nur um die berühmten lockeren Kanaldeckel kümmert und andererseits von Vorlagen-Zentnern zugeworfen wird, die er resigniert und voller Vertrauen in die Verwaltung passieren läßt.

Andererseits können Reformversuche bereits im Anfangsstadium Fehlentwicklungen andeuten, die man diskutieren und zur Disposition stellen sollte.

In der praktischen Erprobung der neuen Haushaltsberatung ergaben sich in Osnabrück vor allem folgende Probleme:

·      Ehrenamtliche Kommunalpolitiker sind vielfach schlichtweg überfordert, wenn sie über Eckwerte mit detaillierten Summen für einzelne Ämter entscheiden sollen.

·      Die klassische Methode der Umschichtungen über Dezernats- und Ämtergrenzen hinaus ist zumindest gefährdet.

·      Der unbestreitbare Sparzwang der Kommunen kollidiert mit jeder etwaigen Möglichkeit, kreativer und eigenständiger mit den zur Verfügung stehenden Geldern umzugehen.

Resümee: Die landauf, landab aufdiktierte Haushaltskonsolidierung birgt nicht nur eine Chance für den Erfolg neuer Steuerungsmodelle in sich. Er beinhaltet nicht minder die Gefahr des Mißlingens, da der Gestaltungsspielraum geringer ist – von plastisch erkennbaren Umschichtungsprozessen ganz zu schweigen.

Betrachten wir streiflichtartig weitere Aspekte der Osnabrücker Verwaltungs- und mithin auch Politikreform, sind weitere Punkte hervorzuheben:

1. Die Umstrukturierungen im Sportamt wurden – und werden – zwar mit begrenztem Wohlwollen zur Kenntnis genommen, dennoch reduzierte sich die Gesamtbeurteilung recht oft auf die – in der Tat nicht unbeträchtlichen – Einsparungen. „Zentimeterdicke“ Abhandlungen – erstellt im Zuge der regelmäßigen Berichterstattung über die Fortschritte der Umstrukturierung – erhielten (bisher) weit weniger Resonanz.

2. Bei Eckwertebeschlüssen stellt sich – von Ausnahmen wie z.B. den Festsetzungen zur Nettokreditaufnahme oder dem Grundsatz, freiwillige Zuschüsse einzufrieren abgesehen – eine weitgehende Sprachlosigkeit der Politik ein. Ämter-Etats ohne detaillierte Betrachtungen bleiben kaum kommentierbar.

3. Innerhalb der Ausschüsse ergaben sich gravierende Selbstverständnisprobleme. Insbesondere die offiziell erwartete Maßgabe, innerhalb der jeweiligen Eckwerte zu bleiben, wurde teilweise umgangen – mit der Folge öffentlicher „Belehrungen“ durch den Kämmerer, der die Politik beschuldigte, das neue Beratungsverfahren schlichtweg nicht verstanden zu haben.

4. Zu wenig herausgestellt wurde bisher eine Binnendifferenzierung der Ausschußlandschaft. Während einige es leichter haben, Vorgaben zu erfüllen und darüber hinaus über zusätzliche Einnahmen nachdenken können, müssen sich andere – wie die im Jugend- oder Sozialbereich angesiedelten – fast nur mit Ausgaben befassen.

5. Der Ende 1993 erstmals vorgelegte – ämterbezogene – Haushalt wurde anläßlich der Etatdebatte – dies gilt für Ausschüsse wie auch für die zentrale Ebene – weit weniger diskutiert als die traditionell abgefaßten Vorgänger – was sicherlich auch an der prekäreren Haushaltslage lag, welche es beispielsweise überflüssig machte, näher über den Investitionshaushalt zu befinden.

6. Die Vorliebe vieler Kommunalpolitiker, rein fachbereichsbezogen zu denken und entsprechend zu handeln, kollidiert nicht selten mit der Notwendigkeit, Fachthemen aus übergeordneter Sichtweise zu entscheiden.

Schlußfolgerung

Die bereits (vgl. Difu-Berichte 1/1994) anhand von diversen Erfahrungsberichten ableitbare Gefahr, daß sich „eine Verminderung der Beratungsvielfalt und -tiefe in den Räten“ abzeichne, muß bisher (?) auch für Osnabrück bestätigt werden.

Und noch ein Aspekt darf nicht unterschlagen werden: Abstimmungsprobleme mit und in der Politik korrespondieren mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten in der Verwaltung, die naturgemäß ihre Auswirkungen auf die Politik haben.

Konkret: Wenn eine Vielzahl von Verwaltungsmitarbeitern die Verwaltungsreform vor allem in Gestalt von weniger Mitteln, Stellenabbau und Mehrarbeit, Aufstiegsschwierigkeiten und einem neuen Arbeitsschwerpunkt in Gestalt gegenseitigen Rechnungschreibens erlebt, dann fördert das nicht die Zustimmung der Politik. Anders ausgedrückt: Wer von Reform spricht, sie aber in erster Linie als Etatkürzung erfahrbar macht, produziert offensichtlich mehr Verdruß als Zustimmung.

Nebenbei bemerkt scheint sich Osnabrück hier in guter Gesellschaft zu Erfahrungen in anderen Städten zu befinden. Gemäß einer Umfrage des Deutschen Städtetages (publiziert im „Niedersächsischen Städtetag“ 7/8/1995) liegen für die westdeutschen Städte die größten Probleme bei der Modernisierung in Vorbehalten und geringer Akzeptanz der Beschäftigten. Letztere bestätigten danach 70% der Befragten bei den Beschäftigten, immerhin auch 52% der Kommunalpolitiker.

 


Checkliste zur politischen Steuerbarkeit

Wenn die umfangreiche Verwaltungsreform – das gilt in Osnabrück wie andernorts – nicht aufgrund ihrer Kinderkrankheiten scheitern soll, müßte eine „Checkliste“ zur Linderung dieser Kinderkrankheiten erarbeitet werden. Hierzu einige – sicherlich unvollständige – Kernpunkte:

1. Die berühmte Kernaufgabe, nach der sich politische Gremien auf die „Zielvorgaben und die Kontrolle der Zielerreichung und Effizienz“ beschränken sollen, ist konkret zu definieren und anhand von Fallbeispielen nachvollziehbar zu machen.

2. Insbesondere in der öffentlichen Darstellung ein jeweiliger Image-Wechsel von Politik und Verwaltung anzustreben. Konkret: Der Widerspruch, daß Politik einerseits nur Rahmenvorgaben entwickeln soll, gleichzeitig aber im öffentlichen Bewußtsein auch für Details (wie für den berühmten lockeren Gullideckel) verantwortlich gemacht wird, muß schrittweise aufgelöst werden.

3. Jedwede neuen Steuerungsmodelle sollten daran gemessen werden, ob sie nicht nur betriebswirtschaftlich effektiv sind, sondern auch zu einem Mehr an Mitarbeiter-Partizipation, demokratischer Teilhabe, Gleichstellung der Geschlechter, Entscheidungstransparenz sowie sozialökologischem Umbau führt. Demokratie- oder mitbestimmungsfördernde Prozesse müssen kontrolliert und zuweilen auch angestoßen werden.

4. Zumindest in Großstädten und in den jeweiligen Fraktionsspitzen gehört der reine Feierabend- Kommunalpolitiker in den wohlverdienten Ruhestand. Zu entwickeln ist an seiner Stelle ein System angemessener Regelungen für Aufwands- und Verdienstausfallentschädigung sowie Dienstbefreiung.

5. Benötigt wird eine wesentlich engere Verzahnung zwischen Politik und Verwaltung, ohne die jeweilige Eigenständigkeit zu gefährden. Nur so – beispielsweise über gemeinsame Projektgruppen – läßt sich annähernde „Waffengleichheit“ herstellen.

6. Einzufordern ist eine weit bessere Aufbereitung von anstehenden Entscheidungen. Stichworte dazu sind

Þ visualisierte und komprimierte Sachdarstellungen,

Þ Aufzeigen echter Handlungsalternativen und

Þ plastische Planspiele über Entscheidungsprozeduren.

7. Mindestens gleichrangig zur permanenten Mitarbeiterschulung muß das Element einer regelmäßigen Schulung von Kommunalpolitikern treten. Lehr- und Lernmittel, didaktische Rahmensetzungen und aus alledem entwickelte Curricula haben dem Rechnung zu tragen. Ziel ist eine höhere Qualifizierung der Ratsmitglieder, um die gewünschte „legislatorische Programmsteuerung“ tatsächlich wahrnehmen zu können.

8. Das Mehr an Bürgerbeteiligung, -information und -entscheiden ist unabdingbar mit einer stärkeren Einbeziehung der Politik zu koppeln, denn insbesondere Kommunalpolitik bildet ein notwendiges Scharnier – zuweilen auch „den Durchlauferhitzer“ zwischen Bevölkerung und Verwaltung.

9. In gleicher Weise ist die Politik verstärkt in Moderationsprozesse zugunsten von

Þ verstärkter ehrenamtlicher, kostensparender wie auch Identifikations-erhöhender Bürgerarbeit (analog der Phoenixer Erfahrungen beispielsweise in Bildung, Ausbildung, Freizeitgestaltung, Aufsichtsdiensten und Wohnumfeldgestaltung),

Þ runder Tische, die Kompetenzvielfalt repräsentieren,

Þ Fokus-Gruppen ausgewählter Bürger zur Akzeptanz-Messung politischer Entscheidungen sowie

Þ allgemeinen Formen der „Private Public Partnership“ (Stichworte Wirtschafts- oder Kulturförderung).

10.Politik hat sich speziell der einer erweiterten Definition bisheriger Personalpolitik als einemnicht zu unterschätzenden Moment von Gesellschaftspolitik zuzuwenden. Detailfragen sind hier

Þ der Nachweis arbeitsmarktpolitischer Zielsetzungen wie der Verhinderung betriebsbedingter Kündigungen,

Þ Grundsatzentscheidungen für Vergaben mit Qualitätsanforderungen wie dem Vorhalten sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze, tariflicher Bezahlung etc.,

Þ Ämter- und Dezernatszuschnitte, die mit Zielvorgaben zusammenhängen,

Þ Organisations- bzw. Privatisierungsfragen,

Þ die Kooperation mit Mitarbeitervertretungen,

Þ die Absicherung von Mitbestimmungsrechten,

Þ gestaltende Elemente wie vermehrte Teilzeitarbeit, Vorruhestandsregelungen, Sabbatjahre, Regularien zu Leistungsanreizen etc.,

Þ Mitarbeiterbeurteilungen, die nicht nur nach fachlichen, sondern auch nach gesellschaftlich gewünschten Kriterien wie sozialer Handlungskompetenz, Kreativität, Eigenverantwortlichkeit erfolgen müssen.

11.Nachhaltig sind Methoden zu entwickeln, nach denen städtische Gesellschaften, die eine hohe Bedeutung für die Stadtentwicklung besitzen, verstärkt in die politischen Steuerungsprozesse und damit – fachlich wie zentral – in die Entscheidungsfindung der Räte einbezogen werden.

12.In der durch Lokalfunk, Mailboxen etc. anwachsenden   Medien- und Informationsgesellschaft müssen Politik wie Verwaltung die Öffentlichkeitsarbeit („Gläsernes Rathaus“) zu einem wesentlichem Bestandteil ihrer Arbeit machen, was eine angemessene technisch-logistische Ausstattung trotz Haushaltskrisen rechtfertigt.

13.Wenn ein Mehr an Grundsatzentscheidungen abverlangt wird, erhöht sich speziell für die Parteien automatisch die Bedeutung der – in der Tagespolitik zumeist vernachlässigten – Grundsatzprogramme. Auch diese sind darum verstärkt in Schulungsprozesse einzubeziehen und gegebenenfalls neu zu entwickeln.

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