Verfassungsväter

Otto Vesper und Hans Wunderlich

Frieden und Demokratie gelten als Bausteine einer intakten Gesellschaft. Osnabrück, in dessen Mauern vor mehr als 350 Jahren entscheidend dazu beigetragen wurde, einen der längsten und brutalsten Kriege der deutschen Geschichte zu beenden, konnte sich im Jahre 1998 mit Recht als Friedensstadt feiern lassen. Dieses Osnabrück darf aber auch „Demokratiestadt“ sein. Und zwar deshalb, weil mit Otto Vesper und Hans Wunderlich gleich zwei ihrer Söhne in beiden Republiken der deutschen Geschichte als „Verfassungsväter“ dienten.

Beide „Männer der ersten Stunde“ einte nicht nur ihre „Verfassungsvaterschaft“. Obwohl sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten agierten, gab es mindestens drei weitere Gemeinsamkeiten: Sie waren Sozialdemokraten, sie wirkten in Osnabrück, und sie waren zum Zeitpunkt ihrer Mandate journalistisch tätig.

Otto Vesper (1875- 1923) war in den frühen Jahrzehnten unseres Jahrhunderts eine dominierende Figur der Osnabrücker Arbeiterschaft. Von Beruf Tapezierer, als solcher lange Zeit Gesellenvertreter, später Gewerkschaftssekretär, von der Parteispitze seinerzeit nach Osnabrück entsandt, um den Parteiaufbau voranzutreiben. Aus dem Tapezierer und SPD-Funktionär wurde schnell ein Chefredakteur. „Osnabrücker Abendpost“ nannte sich die vorwiegend in der Arbeiterschaft vertriebene SPD-Tageszeitung, die nicht nur Nachrichten, sondern auch engagierte Kommentare ihres „Machers“ abdruckte. Die Osnabrücker Variante der Novemberrevolution von 1918 ist untrennbar mit Vesper, der zeitweilig auch als Senator wirkte, verknüpft. Deshalb war es fast eine logische Konsequenz, dass die Wählerinnen und Wähler ihn am 19. Januar 1919 in die verfassungsgebende Weimarer Nationalversammlung entsandten. Auf diese Weise wurde es ihm vergönnt, sich aktiv an der Ausformulierung der ersten demokratischen Verfassung der deutschen Geschichte zu beteiligen und darin das freie Wahlrecht sowie die Meinungs-, Presse- und Koalitionsfreiheit zu verankern. Dies waren Ziele, für die er jahrzehntelang für die SPD gestritten hatte. Otto Vesper wurde nach Konstituierung der Republik erster Direktor des im Sommer 1919 neuerrichteten Osnabrücker Arbeitsamts.

Hans Wunderlich (1899-1977) zog es als Journalisten in der zweiten Hälfte der Weimarer Zeit nach Osnabrück, wo er Redakteur der sozialdemokratischen Nach­folge­zei­tung der Osnabrücker Abendpost, der Freien Presse, wurde. Wunderlich und Vesper, der im Jahre 1923 sehr krank starb, sind sich deshalb wahrscheinlich niemals persönlich begegnet.

Nach Nazizeit, Verfolgung und Krieg war wurde Wunderlich sofort im Rahmen des Parteiaufbaus aktiv, avancierte zum Chefredakteur der SPD-nahen Nordwestdeutschen Rundschau, wurde Mitglied des Osnabrücker Stadtrats und wurde vom 1. Niedersächsischen Landtag in den Parlamentarischen Rat gesandt. Dort gehörte der Osnabrücker zu den 27(!) SPD-Abgeordneten. Er arbeitete im sehr bedeutenden Ausschuss für Grundsatzfragen und Grundrechte mit und verabschiedete am 8. Mai 1949 mit der großen Mehrheit des Gremiums das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das folglich auch mit seinem Namen unterzeichnet wurde.

Spuren der Osnabrücker Sozialdemokratie – man findet sie sogar in Verfassungen.

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